Nach dem letzten Jammerpost heute wieder zurück zum Thema, oder so...es geht mir wieder (etwas) besser, bzw. ich blende das Thema Beziehungsprobleme relativ erfolgreich aus. Kommen wir also zu den zwei verschiedenen Geburtsvorbereitungskursen, in denen ich mich zur Zeit amüsiere!
Kurs Nummer Eins ist Hypnobirthing. Wer nachlesen will, was das ist, möge es bitte an anderer Stelle tun, ich schreibe hier nur über den Kurs, um ein bißchen Zeit und Energie zu sparen. Im Kurs sind fünf Paare und ich: ein französisches, ein spanisches, ein amerikanisches, ein schottisches, ein südafrikanisches und ich. Da mein Mann kein Englisch kann, bin ich alleine. Ich dachte eigentlich in meiner jugendlichen Naivität, in dem Kurs geht es um Hypnobirthing. Letzte Stunde ging es allerdings um Ernährung und dann um die "perfekte" erste Stunde nach der Geburt. Da ich (und vermutlich 99 weitere Prozent der Weltbevölkerung) keine perfekte erste Stunde nach der Geburt verbracht haben, erklärt das wahrscheinlich, warum wir immer noch in solch einer nicht-perfekten Welt voll Verbrechen, Gewalt und schlechter Musik leben....ähm egal, kommen wir zurück zum Thema.
Das Thema Ernährung war am Anfang eigentlich nicht so schlecht. Meine persönliche Meinung dazu sieht nun so aus: wie wir alle wissen, gibt es ca. alle zwei Wochen neue Empfehlungen dazu, was mensch denn nun so essen sollte oder auch nicht. Ähnlich sieht es auch zum Thema Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit aus.
Meiner bescheidenen und zumindest grundlegend statistisch ausgebildeten Meinung nach liegt das daran, daß viele dieser Ernährungsstudien schlicht und einfach nicht gut gemacht sind. Ein sehr offensichtliches Problem liegt daran, daß man in diesen Studien Leute nach ihrer Ernährung befragt, und zwar sehr oft nicht einmal nach der vergangenen, sondern schlicht und einfach nach der derzeitigen Ernährung (z.B. "Wie oft essen Sie Milchprodukte?", und dann kann man was ankreuzen zwischen "mehrmals täglich" und "Nie, ich bin nämlich ein irrer Veganer". Denkt euch die zweite Hälfte der zweiten Antwort jetzt einfach wieder weg...). Daß die derzeitige Ernährung und der derzeitige Gesundheitszustand nicht zwingend viel miteinander zu tun haben, sollte eigentlich auf der Hand liegen: Herzprobleme, nur als Beispiel, entstehen meist nicht von heute auf morgen, sondern sind oft das Ergebnis jahre- oder jahrzehntelangen Verhaltens, wie z.B. ungesunder Ernährung!
Falls sie aber tatsächlich Leute nach ihrer vergangenen Ernährung befragen, ist das auch nicht viel besser - oder, Hand aufs Herz, könntet Ihr eine verläßliche Aussage darüber machen, wie oft ihr mit, sagen wir mal 15, Joghurt oder Gemüse pro Woche gegessen habt? Ich nämlich auch nicht.
Ein etwas weniger offensichtliches Problem besteht darin, daß es nicht komplett zufällig ist, wie sich jemand ernährt. Bei Medikamententests wird aus gutem Grund meist wie folgt vorgegangen: man verwendet eine sogenannte Doppelblindstudie. Für solche Studien wird zunächst einmal zufällig entschieden, wer der Studienteilnehmer tatsächlich das Medikament erhält und wer das Placebo (eine Pille ohne Wirkstoffe). Das ist die erste Blindheit. Der untersuchende Arzt, der die Teilnehmer nach Abschluß der Studie untersucht, weiß nun aber auch nicht, wer das Medikament erhalten hat und wer das Placebo, und das ist die zweite Blindheit. Bei diesem Ansatz hängt es nicht von weiteren Eigenschaften der Teilnehmer ab, wer das Medikament bekommt und wer nicht - es ist also nicht so, daß z.B. die kränksten Patienten zuerst das möglicherweise lebensrettende Medikament bekommen und dann geschaut wird, ob es geholfen hat.
Bei den meisten Ernährungsformen dagegen ist weder die erste noch die zweite Blindheit gegeben. Kein Studienleiter kann mal eben sagen, so, jetzt nehme ich mir mal ein Sample von 200 Schwangeren, und basierend darauf, ob ihr Geburtstag eine gerade oder eine ungerade Zahl ist (das wäre ein Beispiel für eine zufällige Entscheidung über Medikament oder Placebo), gebe ich ihnen eine vegane Ernährung oder nicht, und dann schaue ich mal, welche Kinder am Ende einen höheren IQ haben (nur ein Beispiel). Hinter einer bestimmten Ernährungsform steht die Entscheidung jedes Einzelnen, und diese ist eben nicht zufällig, sondern hängt von vielen, vielen Dingen ab. Bei den Veganern habe ich z.B. immer das Gefühl, dass das Ganze nur eine gesellschaftlich akzeptiertere Variante einer Eßstörung ist, aber egal...und genau davon kann es eben auch abhängen, wie gesund oder ungesund jemand ist. Verantwortlich für einen bestimmten Gesundheitszustand, wie z.B. Untergewicht, ist dann eben nicht die vegane Ernährung, sondern ursächlich die Tatsache, daß der Veganer eine Eßstörung hatte und aufgrund dieser zum Veganer wurde. Nur ein Beispiel, soweit ich weiß, gibt es zum Thema (noch???) keine Forschung, grins!
So, nach all diesem Vorspiel (hüstel) jetzt der Punkt: Trau keiner Ernährungsstudie, die du nicht selbst gefälscht hast! Eßt Gemüse, eßt Obst, genießt es, eßt saisonale und lokale Produkte und macht Euch auch nicht fertig, wenn Ihr alle drei Monate mal ein Abendessen bei Burger King einlegt. Alles in Moderation!
Und dann mußte ich mir letzten Samstag irgendwelches Expatgesabbere zum Thema "clean eating" und Fleisch ist böse und schalala anhören, inklusive eben der Raw-Vegan-Frau aus Südafrika. Ich dachte ja immer, raw vegans seien so eine urban legend und die gibt es gar nicht in echt, aber offensichtlich doch. Man kann nur hoffen, daß sie nicht ihr Vitamin B12 vergißt und das Kind dann leider auch gehirngeschädigt wird! Der deutsche Ökonazi in mir dachte sich noch, mit einem nachhaltigen Lebensstil hat es auch nur wenig zu tun, wenn man sich von auf der Base gekauften importierten Datteln ernährt, die vermutlich irgendwo in Nordafrika produziert, dann in die USA geflogen und von dort aus dann weiter nach Ostasien transportiert wurden...aber hey, egal, "clean eating" ist schließlich wichtiger als ein cleaner Planet. Bah. Ich kauf mein Nicht-Bio-Gemüse lieber auf dem lokalen Markt ein und hoffe, daß dann auch Klein-Blueberry noch auf einem halbwegs gesunden Planeten leben kann! Den Gedanken habe ich allerdings bei mir behalten. Den Gesichtsausdrücken der Franzosen und Spanier nach hatten die allerdings ähnliche Gedanken wie ich :)
Der "einheimische" Geburtsvorbereitungskurs ist nun leider auch nicht besser. In der ersten Stunde sollten wir uns alle vorstellen und sagen, warum wir denn hier sind, worauf mein Mann in der ihm manchmal eigenen und sehr landesuntypischen brutalen Ehrlichkeit antwortete, "weil man muß, wenn man hier eine natürliche Geburt haben will". Gleich mal volle Punktzahl bei der Lehrerin! Als Highlight der ersten Sitzung bekamen wir dann auch ein Geburtsvideo gezeigt, gedreht (wenn man die Frisuren der Damen als Anhaltspunkt nimmt) zu den Zeiten, als Dallas und Denver auch im deutschen Fernsehen liefen und selbstverständlich nur mit Amerikanern drin. Und als das Baby rauskam, alle Weiber so "iiiiiih". Und ich so, Scheiße, euer Geburtstermin ist in weniger als vier Wochen - was habt ihr denn bitte bis jetzt gedacht, wie das Kind das Licht der Welt erblickt??!???!?? Ich mein, wenn man im Aufklärungsunterricht in der, ähm, gefühlt siebten Klasse so reagiert, okay, aber mit Anfang bis Ende Dreißig??!???! Wir haben damals übrigens kein Video gesehn, nur so als Anmerkung. Zur Ehrenrettung der Männer muß man sagen, daß die das Ganze eher neutral-interessiert betrachtet haben. Und nächsten Sonntag den letzten Kurs werden wir einfach schwänzen, da wir bis jetzt eh nichts Hilfreiches gelernt haben.
Dafür haben wir jetzt aber das Natürliche-Geburt-Zimmer gesehen und es ist toll. Badewanne, Kerzen, Doppelbett - alles ist da. Jetzt muß sich Blueberry nur noch bis nach dem 10. März Zeit lassen, dann hat ihr Vater nämlich auch weniger zu tun und kann dann hoffentlich wenigstens die Zeit im Krankenhaus mit uns verbringen!